Kein Vergleich
Die “Fitness” erscheint uns als das Licht im dunklen Tunnel unseres Lebens als träge, erschöpfte und kranke Wesen.
Die Lichtbringer strahlen ihr Licht auf uns herab von Werbebildern, Kinoleinwänden (oder auf welchen Bildschirm auch immer man gerade starrt) und durch die sozialen Medien.
Die Botschaft: du kannst werden wie wir: erflogreich, reich, schön, heroisch, nahezu göttlich.
Du musst nur trainieren.
Es ist easy, ab ins fitti, ein paar Gewichte bewegen, komm mal wieder ins Schwitzen.
Die Fitness-Industrie boomt.
Und die chronischen Zivilisation-Erkrankungen gleichzeitig auch.
Eine faszienierende neue Welt.
Wir haben hier eine Industrie, die davon lebt, dass ihre Kunden nicht auftauchen.
Und so läuft das ab: Jedes Jahr im Januar schießen die Mitgliederzahlen in die Höhe. Bis zu 300%. In den Hochzeiten bedeutet das, dass sich viermal so viele Körper in den gleichen Raum quetschen. Kein Studio kann das auf Dauer aushalten. Aber keine Sorge. Studiobetreiber wissen, dass sie den Gewinn mitnehmen können, ohne sich räumlich erweitern zu müssen. Denn schon ein paar Wochen später im Frühling tauchen weniger als die Hälfte der neuen Mitglieder auf. Und alles ist wieder gut. In einer normalen Welt wäre das der Untergang eines jeden Geschäfts. Doch Scham und magisches Denken sind ein hervorragendes Marketing Instrument. Nächsten Januar kommen ca. 60% derjenigen, die im Lauf des Jahres gekündigt hatten wieder. Vielleicht zur Abwechslung mal in einem anderen Studio. Aber der Kreislauf bleibt der Selbe. Kein Wunder also, dass die Industrie boomt, trotz Rezessionen.
Dein schlechtes Gewissen aber, wächst immer weiter.
Und immer wieder aufs Neue.
Oder du gibst das irgendwann einfach auf.
Ich bin halt nicht der Typ dafür.
Sport ist sowieso Mord.
usw.
Der Mensch ist doch das schweizer Taschenmesser der Bewegung.
Wir können vielleicht nichts super-gut.
Aber extrem viel unterschiedliches weit mehr als gut genug.
Irgendwas scheint da doch schief zu laufen.
Um das zu verstehen und um später vielleicht die besseren, weil bewussteren Entscheidungen treffen zu können, sollten wir uns über ein paar Punkte bewusst werden.
- Nicht mal Fitness-Models sehen aus wie Fitness-Models.
Das Problem mit Fitness-Models und damit meine ich alle, die ihre “Fitness-Ästhetik” verkaufen, seien es nun Schauschpieler, Models aus welcher Werbung auch immer und nicht zuletzt die Influencer aus den sozialen Medien.
Man darf einfach nicht vergessen, dass hier ein Image präsentiert wird, das eben unterhalten, verkaufen oder am besten beides zugleich soll.
Und verkauft wird ziemlich gut.
Die nackte Wahrheit ist: hier geht es nicht um die Darstellung irgendeiner Form von Realität.
Bzw. um nur eine sehr kleine Momentaufnahme.
Denn nicht mal Fitness-Models sehen aus wie Fitness-Models.
Wie sollen sie denn sonst aussehen?
Stell dir vor, du hast jahrelang trainiert und irgendwann stellst du fest, es gibt Wettbewerbe in denen die “Schnönheitskönige und -königinnen” der Fitness-Welt erkoren werden. Unterschiedlichste Klassen und Kategorien vom Bodybuilding, Classic Bodybuilding bis hin zur Bikini-Klasse.
Du willst teilnehmen und herausfinden wie gut du im Vergleich mit anderen da stehst.
Bereitest dich intensivst darauf vor. Um zum Wettkampf in deiner besten Form zu sein.
Hast Erfolg dabei. Jetzt ist die Zeit, in der du eben in der Form deines Lebens bist.
Beste Zeit also Bilder zu machen, diese Optik für die Ewigkeit festzuhalten.
Denn das ist das Ergebnis extrem harter Arbeit.
Alles schön und fein soweit.
Nur das Training kostet viel Zeit und auch Geld. Da ist es doch fantastisch, wenn man das auch dazu nutzen kann damit auch Geld zu verdienen. Und warum nicht als Model? Schließlich geht es in diesem Bereich ja hauptsächlich um das ideale Aussehen.
Und ich bin mit all dem absolut fein.
Das Problem entsteht nur, wenn auf einmal für nahezu alles Werbung mit Fitnessmodels gemacht wird.
Dieser Höhepunkt ihres Trainingsjahr wirkt dadurch, dass wir das die ganze Zeit vorgesetzt bekommen eben nicht mehr wie die Ausnahme-Leistung, die sie ist, sondern vielmehr wie eine neue Norm. Das ist das neue Normal.
Den Großteil des Jahres und noch viel mehr ihres Lebens sehen eben selbst Fitness-Models nicht aus wie Fitness-Models.
Ein Nischen-Hobby ist zum allgemeinen Idealbild geworden.
Problem ist nur, dass die meisten Menschen, sich eben nicht mit Bodybuilding und allem was dazu gehört beschäftigen und kaum abschätzen können, welche Leistung diese Menschen da erbringen. Sie sehen ein Bild, nein sie sehen ein Image und wollen dieses Ideal auch für sich beanspruchen können. Am besten gestern. Als wäre dein Körper etwas das du bei Amazon-Prime bestellen könntest. Same-Day-Delivery. Das ist natürlich eine fantastische Gelegenheit Geld zu verdienen. Deck den Bedarf. Sorg für mehr Bedarf. Erkenne oder Erschaffe ein Problem und verkaufe die Lösung dafür. Und noch besser ist es, dass wenn der Kunde nicht an sein Ziel kommt (und das gilt für die meisten), dann ist nicht dein Produkt oder deine Dienstleistung sagen wir vielleicht nicht optimal, nein, es liegt selsbtverständlich am Kunden.
Ein riesiger Markt. Großartige Chancen.
Ein neuer Akteur betritt den Raum: die Influencer.
Auf der einen Seite haben sie es recht einfach. Der Zugang zu einem größeren Publikum war noch nie mit so wenigen Mitteln möglich. Und gleichzeitig haben sie es eben aber auch besonders schwer.
Durch die ständige Präsentation des eigenen Körpers in nahezu Echtzeit haben sie kaum bis gar nicht die Möglichkeit mal eine Pause zu machen.
Wie es Schauspieler wenigstens zwischen ihren Projekten könnten und die Models im Rahmen ihrer Jahrestrainingsplanung schon haben.
Der Influencer muss ständig um deine Aufmerksamkeit kämpfen. Denn das ist sein Gold.
Die wenigsten schaffen das über einen langen Zeitraum umzusetzen ohne auszubrennen.
Für uns heißt das aber, wir werden die ganze Zeit über aus den verschiedensten Ecken zu einem Vergleich mit einem Idealbild, nahezu genötigt.
Die Folge: Gefühle der Unzulänglichkeit, Körperdysmorphien, (klassische Tendenz: die Mädels fühlen sich immer zu dick und die Jungs zu dürre), Ess-Störungen, Depressionen usw.
Nicht alles ist auf die böse Werbe- und Medienwelt alleine zurückzuführen, doch hilfreich ist sie auch nicht gerade.
Verständlich, ich sehe auch lieber ästhetisch aufgehübschte Darstellungen der Realität als die nackte und nicht immer schöne Wahrheit.
Aber gleichzeitig, gleiche ich mich damit ab und will etwas unerreichbares erreichen (ein Ideal).
Solange ich mir dessen bewusst bin, kann das auch eine schöne Motivation sein.
Wenn ich das aber vergesse und das Ideal als neue Norm betrachte und nicht mehr als die Ausnahme werde ich wohl leiden.
Und hier sind wir schon beim Vergleich, der Wurzel so vielen Übels.
- Vergleich ist die Wurzel allen Übels.
Doch es gibt ja nicht nur die Mediale Darstellung als solches.
Was ist mit Sportlern, die sollten doch ein gutes Vorbild für uns abgeben?
Nun ja, vielleicht.
In bestimmten Bereichen bestimmt.
Teamgeist, Fairness, der Unwille aufzugeben, über seine wahrgenommenen Grenzen hinaus zu wachsen sind sicherlich gute Eigenschaften, die wir uns von Leistungssportlern abschauen können.
Aber die vermittelte oder wahrgenommene Gleichung Fit = Gesund geht leider nicht auf, auch wenn diese zwei Eigenschaften sicherlich stark miteinander verknüpft sind.
Ein Leistungssportler ist sicherlich fit, darüber müssen wir uns wohl kaum streiten.
Doch seine Fitness sagt leider nichts darüber aus, ob er auch gesund ist.
Das Thema Gesundheit ist eh schwierig.
Gesundheit zu definieren ist nicht einfach.
“Gesund ist auch bloß der, der nicht gründlich genug untersucht wurde.”
Aber Gesundheit ist eine gute Voraussetzung um langfristig fit werden und bleiben zu können.
Und Fitness ist ebenfalls eine gute Voraussetzung um gesund werden und bleiben zu können.
Dennoch bedingt das eine nicht das andere.
Diesem Problem begegnen nicht selten eben Athleten, sie fühlen, dass irgendwas nicht stimmt, nicht rund läuft, gehen zum Arzt und dieser nimmt ihre Sorgen womöglich gar nicht erst ernst, denn sie sind ja so fit, die müssen doch gesund sein.
Aber aus der Anwesenheit des einen folgt eben nicht zwingend die Anwesenheit des Anderen.
Ich erinnere mich vor Jahren mal in einem Interview mit Florian Hambüchen gelesen zu haben, dass er kaum einen Wettbewerb ohne Entzündungshemmer und Schmerzmittel bestritten hat.
Aber wir können sicher viel von Leistungssportlern lernen.
Trainingsmethoden, -strukturen, progressiver Aufbau von Fähig- und Fertigkeiten.
Das stimmt.
Nur müssen wir deswegen aber auch nicht ebenso trainieren, wie Leistungssportler, wenn der von ihnen ausgeübte Sport und gute Leistungen in diesem nicht unser Ziel sind.
Wir können Elemente und Erkenntnisse aus diesen Bereichen uns nutzbar machen.
Aber wir sollten auch hier nicht versuchen in den Schuhen derer zu laufen, die nicht nur viel größere Füße haben sondern sich auch noch nicht mal auf dem selben Untergrund, geschweige denn in die gleiche Richtung wie wir bewegen.
Wenn du ein junger Mensch bist mit Ambitionen in einer bestimmten Sportart und dort auch viel erreichen willst, studier die großen deines Sports und wie sie an die Spitze gekommen sind.
Finde heraus wie und was sie vor allem in ihren frühen Jahren trainiert haben.
Such das für dich nützliche und umsetzbare aus und versuch ihrem Weg zu folgen.
Aber wenn dein Wunsch es einfach ist “fitter” zu werden, brauchst du nicht dem Trainingsplan eines olympischen Gewichthebers Anfang zwanzig zu folgen, wenn deine Jahreszahlen sich schon flotten Schrittes der Vier nähern, du voll berufstätig bist und auch noch ein Familienleben haben willst.
Aber ein noch größeres und wohl unsichtbares Problem der Sportwelt ist die Saisonale Eigenheit.
Spiel- und Wettkampfsaison ist nun mal nicht das ganze Jahr.
Also steuert man das Training eben so, dass man in diesem Zeitraum nach Möglichkeit die beste Leistung rausbringen kann.
Das Leben aber hat keine Wettkampfsaison, nach der man sich auch womöglich noch erholen kann.
Es kann ewig nichts großes von dir verlangt werden.
Es kann aber auch ewig keine Regenerationszeit möglich sein.
Das Leben hält sich nicht an deine Pläne.
Wir müssen unser Leben nunmal leben und können uns nicht erstmal auf das Leben vorbereiten.
Ein weiteres weitgehend unsichtbares Problem ist, dass es im Sport schon inheränt um Vergleich geht.
Und das begünstigt Abkürzungen, kleine und große Betrügereien, Geheimniskrämerei und ähnliches und schlimmeres.
Kein Topathlet wird je alle seine “Geheimnisse” verraten, wenn er Gefahr läuft somit seinen Vorsprung zu verlieren.
Aber das ist vielleicht mal einen eigenen Artikel wert.
- No Pain, No Gain.
Ein gutes Training, sollte dich stärker/besser, nicht fertig machen.
Irgendwann hat sich der Gedanke eingeschlichen, dass ein gutes Training nur dann gut sein kann, wenn du dich danach so richtig zerstört fühlst und bist.
Nur die harten kommn in Garten.
Und was weiß ich sonst noch an schlauen Sprüchen so kursieren.
Wir setzen nun also zusätzlich zu unserem Dauerstress aus Arbeit und dem modernen Leben noch den maximalen Trainings-Stress obendrauf.
Wann soll denn da noch Regeneration stattfindeni? Damit dieser so oft bemühte Superkompensationseffekt überhaupt einmal die Chance hat seine Magie wirken zu lassen.
Wir landen in einem dauerhaften Stress-Überlebensmodus, in dem wir extrem gut funktionieren und fantastische Leistungen erbringen können.
Bis wir irgendwann verbrennen.
Und dann kannste gar nix mehr. Mal so richtig wirklich nicht.
Es gibt nicht wenige vor allem Hobby Ausdauerathleten, die sich so kaputt gespielt haben, dass sie wahrscheinlich nie wieder sportlich auf einen grünen Zweig werden kommen können.
Übertraining und seine Folgen sind wahrlich kein Spaß.
(Auch das wird in einem zukünftigen Artikel noch genauer thematisiert).
Wir haben irgendwann das spielerische und den Spaß an Spaß an Bewegung verloren.
Wir sehen das Training als einen weiteren Leistungsbereich in unserem Leben.
Und fühlen uns nur dann gut, vielleicht sogar wertvoll, wenn wir das Gefühl haben Leistung erbracht zu haben.
Spielerische Freude kommt da kaum noch auf.
Wie sollte es auch mit einer Marketing-Maschinerie, die dir das Gefühl von nicht Genug vermittelt und allgegenwärtig ist.
Da bleibt kein Raum mehr für die Selbstentdeckung.
Wenig Raum für Bewegungsfreude.
Meine Idee eines guten Trainings ist es, dass du dich nach einer Einheit besser fühlst.
Nicht zerstört.
Du spürst, dass du etwas getan hast, bist aber nicht für den Rest des Tages (odere mehrere) kaum mehr in der Lage deinen Alltag ohne Nebenwirkungen zu meistern.
Die Trainingseinheiten sind nur so intensiv, dass du sie am nächsten Tag genauso nochmal durchführen könntest.
Und das nach Möglichkeit auch machst.
Relativ niedrige Intensitäten also, diese aber deutlich öfter durchgeführt.
Das hat nebenbei auch noch den wunderbaren Effekt, dass so viel leichter eine Gewohnheit gebildet werden kann und du dann nicht mehr abhängig von deiner Motivation bist.
link Gewohnheiten<
Eins der Ziele ist es, die Freude an Bewegung wieder entdecken zu können, die wir als Kinder schonmal hatten.
Versuch mal zu hüpfen und nicht zu lächeln.
Spiel mal wieder “Fangen” und sei traurig dabei.
Langfristig solltest du so viel über dich und das für dich passende Training lernen und wissen, dass du weder auf einen Trainer noch auf ein Gym angewiesen bist.
Es spricht natürlich nichts dagegen, eines oder beides davon auch weiterhin zu nutzen, aber du solltest frei davon werden und nicht mehr abhängg sein von externen Umständen.
Diese Freiheit bedeutet eben auch Freiheit von externen Vergleichen.
Diese kann man vor allem durch die Erfahrung der Selbstwirksamkeit erlangen.